openSUSE Slowroll: Die Balance aus Leap und Tumbleweed

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Mit ALP und Slowroll am Horizont fühlen sich openSUSE-Benutzer derzeit möglicherweise etwas verloren in der Übergangsphase. Das muss nicht sein! Doch wo steht openSUSE derzeit eigentlich? Höchste Zeit etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Seit vielen Jahren hält das openSUSE-Projekt an einem strikten Veröffentlichungsmodell fest, das sich durch zwei primäre Varianten auszeichnet: das fixe openSUSE Leap als LTS Lösung und das rollende openSUSE Tumbleweed. Diese Versionen stehen für Werte wie Stabilität und Zuverlässigkeit wodurch diese openSUSE Editionen in der Open-Source-Gemeinschaft zu bekannten Namen wurden.

Doch wer rastet, der rostet: Es stehen bedeutende Veränderungen an, die die Wahrnehmung dieser renommierten Linux-Distribution neugestalten werden. Der bevorstehende Wandel verspricht, eine neue Ära einzuläuten, in der die etablierten Namen wie Leap und Tumbleweed durch neue Bezeichnungen wie Slowroll, ALP (Adaptable Linux Platform) und andere ersetzt werden. Darüber hinaus gibt es auch openSUSE MicroOS mit all seinen Varianten, wie Aeon (GNOME-Desktop) und Kalpa (KDE-Plasma-Desktop), die umbenannt werden sollen.

openSUSE Leap 15.5 mit KDE Plasma Desktop

Vor diesem Hintergrund brauchen selbst eingefleischte openSUSE-Enthusiasten Hilfe, um sich in der Kanonade der Metamorphosen und neuen Konzepte zurechtzufinden. Was bleibt also für den durchschnittlichen Linux-Nutzer? Für sie ist es fast unvermeidlich, sich auf dem Weg des Übergangs zu verlieren.

Dieser Beitrag beleuchtet die Veränderungen im Hause openSUSE, damit Du Dich schnell im Ökosystem des niedlichen grünen Chamäleons zurechtfindest.

Es beginnt mit ALP

Um die Ursachen zu erklären, die zur Entstehung von ALP geführt haben, müssen wir kurz zurückgehen. Hier der grobe Überblick.

Wir sortieren erstmal. Es gibt den normalen Linux-Desktop-Nutzer, der sein System für die üblichen Dinge wie Webbrowsing, Medienwiedergabe, Büroarbeiten usw. verwendet. In diesem Fall ist es völlig in Ordnung, wenn wir unser Verständnis von Linux auf die Desktop-Versionen der verschiedenen Distributionen beschränken.

Doch auf der anderen Seite, wenn Du in irgendeiner Weise in die Welt der Enterprise-IT Branche involviert bist, ist Dir bekannt, dass fast alle IT-Infrastrukturen und -Dienste, die wir heute kennen und nutzen, hinter den Kulissen in den letzten Jahre durch neue Technologien und Methoden vorangetrieben werden:  Virtualisierung, Container und die Tools wie z.B. Kubernetes, um sie zu orchestrieren.

Es handelt sich um eine riesige Geschäftsnische, die, wie zu erwarten, von Linux angetrieben wird. Die Nachfrage nach hochspezialisierten Serverplattformen hat zu einem explosionsartigen Anstieg unveränderlicher Betriebssysteme geführt, die für die Verwaltung massiver containerisierter Workloads bei gleichzeitiger Verbesserung der Sicherheit entwickelt wurden.

Führende Linux-Anbieter wie Red Hat, Canonical und andere haben sich mit ihren Lösungen, darunter CoreOS, Fedora Silverblue und Ubuntu Core, auf diesen Markt gestürzt. SUSE seinerseits hat ebenfalls ein Angebot entwickelt – SUSE Linux Enterprise Micro und openSUSE MicroOS. ALP ist der nächste Schritt in der Entwicklung der oben genannten SUSE-Produkte, allerdings mit einem anderen Schwerpunkt.

Während MicroOS nach wie vor eine hervorragende Lösung für Privatanwender und kleine Unternehmen ist, konzentriert sich ALP mehr auf mittlere bis große Unternehmen – also auf Enterprise Kunden.

Da es sich bei der Plattform noch um einen Prototyp handelt, werden Linux-Anwender manchmal damit konfrontiert, dass ALP der Nachfolger und die Fortsetzung von openSUSEs Flaggschiff Leap ist. Um es klar zu sagen, die beiden Distributionen haben nichts miteinander zu tun! Und um es noch transparenter zu machen, werde ich es im Folgenden erklären.

openSUSE Leap basiert auf dem Quellcode von SLE (SUSE Linux Enterprise), wodurch es binärkompatibel ist. Gleichzeitig ist ALP kein SLE-Aufguss, sondern ein neuer Ansatz. Außerdem sind die Ziele der beiden Distributionen unterschiedlich. Während Leap darauf ausgerichtet ist, die Anforderungen von Server- und normalen Linux-Desktop-Anwendern zu erfüllen, hat das ALP-Konzept keine Berührungspunkte mit Desktop-Anwendern.

ALP ist ein reines Server-Betriebssystem, hochspezialisiert und vollständig auf containerisierte Workloads ausgerichtet, losgelöst von der Hardware und der App-Layer Schicht.

In anderen Worten: Liebe openSUSE Leap-Nutzer, ALP ist nicht Eure Zukunft. Es ist nicht dazu gedacht, Desktop-Funktionen bereitzustellen oder irgendetwas mit der Linux-Desktop-Nische zu tun zu haben.

Es ist demnach offensichtlich, dass Leap sich eindeutig auf dem absteigenden Ast befindet. Aber bevor Ihr traurig werdet, habe ich gute Nachrichten. Denn es zieht etwas Neues und Vielversprechendes am Horizont auf.

Hallo Slowroll

Es ist offensichtlich, dass das vertraute Point-Release-Modell von openSUSE Leap bald der Vergangenheit angehören wird. Obwohl die Distribution häufig unterschätzt wird, hat sie sich über viele Jahre den Ruf einer kompromisslos zuverlässigen Plattform für Server und Desktops erworben.

Das openSUSE Projekt hat jedoch beschlossen, dass es an der Zeit ist, den Kurs zu ändern. In diesem Sinne wurden die Benutzer kürzlich befragt, wie sie sich den zukünftigen Leap-Nachfolger vorstellen. Es wurden zwei Optionen vorgeschlagen:

 

Linarite – eine reguläre, altmodische Release-Desktop-Distribution, wahrscheinlich mit einer engeren Paketauswahl als bei Leap üblich.

Slowroll – ein Derivat von Tumbleweed, das versucht, etwas Stabileres als das mit voller Geschwindigkeit rollende Tumbleweed anzubieten.

Nach der Analyse der Umfrageergebnisse war klar, dass die Community Slowroll bevorzugt. Es ist also offensichtlich, dass während Leap perspektivisch den Sonnenuntergang sieht, Slowroll am Horizont auftaucht und nach einem Platz in den Herzen der openSUSE-Fans sucht.

Doch keine Sorge, es wird keinen Schnellschuss geben. Die Umstellung wird lange dauern, da sich alles noch in der Anfangsphase befindet. Darüber hinaus wird openSUSE Leap 15.6 planmäßig im Juni 2024 veröffentlicht werden.

In Anbetracht des Wartungszeitraums wird openSUSE Leap mindestens bis Ende 2025 für Benutzer verfügbar sein. Nach aktuellen Sachstand wird Version 15.6 die letzte Version der Leap-Reihe sein wird.

Details zu openSUSE Slowroll

openSUSE Slowroll soll die Lücke nach der Einstellung der Leap-Veröffentlichungen füllen, verfolgt aber ein etwas anderes Konzept. Der ursprünglich gewählte Name sagt schon alles: Es wird eine Rolling-Release-Distribution sein, die langsamer rollt.

Mit anderen Worten: Auf der einen Seite steht Leap mit seinen stabilen, zuverlässigen und getesteten Paketen. Auf der anderen Seite steht Tumbleweed, das mit den neuesten und besten Softwareangeboten kommt.

Die Balance dazwischen – das ist der Punkt, an dem openSUSE Slowroll positioniert wird, aber ein paar Schritte näher an Tumbleweed. Es ist ein Mittelweg zwischen dem stabilen Leap und dem rollenden Tumbleweed.

Zum aktuellen Zeitpunkt können noch nicht alle Fragen beantwortet werden. Wer Leap als Server einsetzt, wird schon Fragezeichen im Kopf haben. Die Erwartung an Slowroll ist, dass es auf der Desktop-Seite zuverlässig und stabil ist, ähnlich wie bei Leap, aber mit neueren Softwareversionen.

Das Projekt befindet sich noch in einem sehr frühen Stadium. Es bleibt abzuwarten, wie es sich entwickeln wird. Für die Ungeduldigen, die zu den Ersten gehören wollen, die Slowroll kennenlernen möchten, gibt es hier eine Anleitung, wie Tumbleweed auf ein Slowroll System migriert werden kann. Alles auf eigene Gefahr!

Fazit

Angesichts der bevorstehenden Ankunft von ALP und Slowroll mag der Weg für viele openSUSE-Nutzer ungewiss erscheinen. Doch keine Angst! Die openSUSE-Gemeinschaft hat ehrgeizige Pläne und ebnet so den Weg für eine moderne und vielversprechende Zukunft.

Ich werde die Entwicklung von Slowroll definitiv im Auge behalten. Wie seht Ihr das? Eure Meinung dazu gerne in die Kommentare reinschreiben.

6 Antworten zu „openSUSE Slowroll: Die Balance aus Leap und Tumbleweed“

  1. Uwe

    Schönes Video, wie immer. Danke für die Vorstellung. 🙂
    Aber ich habe mit Debian und LMDE “mein” Linux gefunden.
    Frage: Lieber Michel könntest Du mal ein etwas umpfangreicheres Vorstellungsvideo zu
    “MiniOS – Linux für den USB-Stick” machen. Ferdinand von “Linux-News” hat leider nur einen kleinen Text dazu veröffentlicht. Das MiniOS war mir völlig unbekannt.

    https://linuxnews.de/minios-linux-fuer-den-usb-stick/

    Als jemand der Linux i.alg. den Leuten vor Ort nahebringt würde mich diese Distro sehr interessieren, da es häufig vorkommt, den jew. PC/Laptop (zerschossene Win-installationen) erstmal wieder in Gang zu bringen. Es wäre hilfreich, Danke.

  2. Gunner

    Wenn es so kommt, dass es einerseits openSUSE ALP für Server und anderseits Slowroll für Desktop gibt, soll es mir recht sein. Dann wechsele ich von Leap auf Slowroll.

    Ich hatte schon manchmal Tumbleweed in Erwägung gezogen, aber bisher noch nicht den Schritt gewagt. Aber wenn Slowroll fast so aktuell wie Tumbleweed ist, dafür aber /noch/ stabiler (Tumbleweed soll ja mittlerweile schon vergleichsweise stabil sein, zumindest in Vergleich mit Arch oder Manjaro), dann könnte das meine openSUSE Distribution sein.

    Ja, es gibt insgesamt viele, sehr viele Distributionen dort draußen. Aber die Arch-basierten sind mir etwas zu sehr “rolling”, d.h. im Zweifel instabil. Ubuntu und direkte Abkömmlinge sowie weitere Derivate scheiden aus, weil ich Ubuntu und Canonical nicht mag. RedHat ist mir mit Fedora etwas zu sehr BleedingEdge und bringt mit Upgrades oft große Umbrüche. Auf ständiges Kompilieren bei Gentoo habe ich keine Lust. Void finde ich äußerst interessant, aber die Installation für meinen Zweck ist mir zu kompliziert, da muss noch zu viel manuell und per Skript gemacht werden. NuTyx finde ich auch interessant, aber auch sehr speziell. Linux Mint, es gibt auch LMDE (wegen meiner Abneigung von Ubuntu), scheint mir nicht sehr professionell mit Sicherheitsmeldungen und -änderungen umzugehen. Linux MX ist mir zu altbacken. Und Siduction zu sehr One-Man-Show. Es bleiben noch ein paar Nischen-Distributionen, die finde ich zum Antesten ja mal ganz hübsch, aber für den Dauergebrauch alle zu sehr One-Man-Show. Bleibt also nur noch Debian. Debian Testing könnte mir vielleicht gefallen. Debian und openSUSE finde ich, spielen gegenüber den ganzen One-Man-Shows in einer anderen Liga. Ja, sie sind vielleicht nicht ganz so hipp. Und manche Sachen wie Codecs oder Drucker laufen manchmal nicht gleich out-of-the-box. Aber es gibt vernünftige Sicherheitsmeldungen und -aktualisierungen. Es gibt vernünftige Bugsammlungen und Fixes. Etc. Insgesamt merkt man, dass diese beiden doch wesentlich größer und professioneller aufgestellt sind.

    Wenn sich Slowroll etablieren sollte, könnte ich bei openSUSE bleiben. Dann müsste ich nicht zu Debian wechseln. Außerdem finde ich schön, dass openSUSE und SUSE noch einen gewissen deutschen Anteil (ich sage bewusst nicht Kern) haben.

    Und ja, ich habe mit systemd keine größeren Probleme. Es gibt Argumente pro UND contra. Für mich überwiegt pro.

    Und ja, ich benutze zusätzlich zu den Distributionsrepositories (auch einigen Home/OBS Repositories) auch AppImage, Flatpak und Snap. Dies mit gewissen Schmerzen, hauptsächlich wegen des riesigen Overhead bei Snap und Flatpak (boah, so viele Laufzeitumgebungen…), aber aus dem Grunde, weil ich bestimmte Programme nur von dort beziehen kann. Bevor ich sie gar nicht beziehen kann, bzw. immer noch selbst kompilieren und mich um Updates kümmern muss, dann lieber so.

  3. Quak

    Ähm nein mit openSUSE bin ich durch. Die haben zu lange auf Yast gesetzt und dabei den Anschluss an Debian, Ubuntu und Arch oder Manjaro verloren. Einzig Micro OS schaut interessat aus. Aber Slowroll reizt mich da genausowenig wie Tumbleweed.

  4. Frank H.

    “Die haben zu lange auf Yast gesetzt und dabei den Anschluss an Debian, Ubuntu und Arch oder Manjaro verloren.”

    Aha? Was genau hat z.B. Debian denn zu bieten, was besser als YaST ist? Etwa “apt-get”, mit dem man sicherheitstechnisch fehlerbehaftete openSSL Pakete installieren kann (“Debian openSSL-Bug”)?

  5. Johannes

    lol distri bashing. Ich dachte, das wäre durch. Machst du mit openSuse noch einen Beitrag für die Zukunftsaussichten auf dem Server? Ich wollte ursprgl. mal ein CentOS 7 ersetzen…

  6. Gregor

    Ich mag Tumbleweed wie auch MicroOS, ich setze es aber momentan nicht ein wegen der Drucker/Scanner Installation es war, ist und anscheinend bleibt es so, ein Krampf. Sektsam ist nur das MicroOS Drucker wie Scanner automatisch erkennt.

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