Ubuntu – Fluch oder Segen? (MFTP35 – Linux Podcast)

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Die Linux Distribution Ubuntu dürfte nach wie vor die bekannteste Linux Distribution sein. Sie ist auch weit über dem üblichen Linux – Anwenderkreis bekannt und dürfte sogar auch gewöhnlichen Windows-Anwendern etwas sagen.

Diesen sensationellen Bekanntheitsgrad konntes sich Ubuntu aufbauen, weil man stets die Belange der Desktop Anwender in den Vordergrund rückte und konsequent darauf hinarbeitete, Linux einfach installierbar und auch einfach bedienbar zu machen. In seinen Anfangsjahren verzeichnete Ubuntu sagenhafte Erfolge auf diesem Weg. Mit einem einfachen Installer konnte jedermann Ubuntu installieren. Gnome 2 wurde seinerzeit mit einem eigenen Design bestückt. Was heute unspektakulär klingt, was in den 2000ern durchaus beachtenswert.

Ubuntu wurde fortan auf dem Höhepunkt seines Erfolgs und Triumpfs oftmals als ernstzunehmende Alternative zu Windows und OS X, heute macOS, genannt. Canonical wollte Ubuntu zum konvergenten Betriebssystem machen. Notebook, Smartphone, Tablet, Fernseher, Kühlschrank – alle Geräte sollten laufen. Cloud Storage, Ubuntu Musik – alles wurde aufgebaut. Canonical baute im Prinzip die Apple Software Produktpalette nach und wollte auf diesem Wege Erfolg haben. Die Pläne gingen sogar soweit, als dass man mit Unity einen eigenen auf Gnome noch aufsetzenden Linux Desktop veröffentlichte. Der Displaymanager MIR sollte den in die Jahre gekommenen X11 endlich ablösen. Doch auf dem Höhepunkt wurde Canonical nicht nur arrogant, sondern auch gierig.

Der Unity Desktop besaß eine Suchfunktion und die dort eingegebenen Suchbegriffe wurden, zwar angeblich anonymisiert, an Amazon weitergereicht, um Produktplatzierungen im Sinne von Affiliate-Links anzuzeigen. Das war der erste große Krach zwischen Canonical und der FOSS Gemeinschaft. Richard Stallmann bezeichnete seinerzeit Ubuntu als Spyware. Alle waren entsetzt. Der Druck kam auch bei Canoncial an, sodass man zum späteren Zeitpunkt die Option anbot die Internetsuche zu deaktivieren. Doch der Bruch war da. Das Verhältnis war belastet. Der Schritt von Canonical den Linux Desktop zu monetarisieren, wurde auch nicht mehr verziehen. Der Fortschritt von Ubuntu geriet ins Stocken.

Im Jahr 2017 verkündete Mark Shuttleworth große Strukturelle Veränderungen bei Canoncial, die auch Ubuntu betrafen. Alle bisherigen Eigenentwicklungen wie z.B. Unity, Mir oder Ubuntu Touch wurden aufgegeben und eingestellt. Ubuntu wurde ein Desktop und Server Betriebssystem, dass nur als Basis der geldbringenden Canonical Produkte dient. Der Standard-Desktop wurde wieder Gnome in Ubuntu. Seither gibt es alle neun Monate eine Ubuntu Edition, wobei jede vierte eine LTS-Version ist, die von drei Interimsversionen gefolgt wird. Interimsversionen bekommen 9 Monate Pflege, LTS-Versionen 5 Jahre. Ubuntu ist als Desktop und Server kostenlos erhältlich.

Man könnte jetzt vermuten, dass nachdem alles wieder auf Null zurückgesetzt wurde, alles wieder gut ist. Das ist wie Schrödingers Katze zugleich wahr und falsch. Die einstigen Canonical Entwicklungen werden weiter von freiwilligen Entwicklern gepflegt. Doch der einstige starke Zugwind ist raus. So dümpelt Unity noch immer in Version 7 vor sich hin, wenn auch gleich nach mehreren Jahren mal ein neues Point-Release erschien. Ubuntu Touch wird von UBPorts Entwicklern gepflegt, basiert aber noch immer auf Ubuntu 16.04 LTS. Zwar wird der Unterbau derzeit modernisiert, doch ist die dafür benötigte Zeit dennoch recht lange.

Andererseits wer zuvor Ubuntu mit Gnome nutzte und Unity nie mochte, dürfte die Entwicklung in gewisser Weise begrüßt haben. Denn der Umweg über das mittlerweile eingestellte Derivat Ubuntu Gnome ist somit obsolet. Ubuntu ist wieder ins Bett von Gnome gestiegen und ist weiterhin eine beliebte Linux Distro.

Ubuntu als Fluch

Ubuntu ist nicht unabhängig in seinen Entscheidungen, sondern setzt um, was Canonical entscheidet. Das wird missmutig von vielen mit Fokus auf der Idee eines Gemeinschaftsprojekts, wie es Debian z.B. ist, betrachtet. Canonical drückt seine Ideen bei Ubuntu durch ungeachtet ob es die Gemeinschaft gutheißt oder nicht. Prominentes Beispiel hierfür aus heutiger Zeit ist das Snap Paketformat, welches in direkter Konkurrenz zu Flatpak und AppImage steht. Dafür kommt Snap auch überwiegend im Ubuntu Kosmos zum Einsatz. Die meisten anderen Distros bevorzugen Flatpak, nur wenige unterstützen direkt von Start an auch Snap. Zwar versucht Ubuntu dahingehend zu argumentieren, dass aus der Perspektive der IT Sicherheit Snap sicherer sind und einfach zu warten seien, dennoch ist der Standard derzeit Flatpak. Auch hier ist das Thema Sicherheit nicht unumstritten. Dennoch setzen fast alles aktuellen Distros neben dem nativen Paketformat auf Flatpak.

Ubuntu als Segen

Ubuntu könnte man auch als den Haudegen sehen, der manches ausprobiert, wo anderen entweder der Mut fehlt oder wo keine entsprechenden Ressourcen verfügbar sind. Ja Unity oder Ubuntu Touch waren in gewisser Weise Fehlschläge, doch daraus entstanden neue Projekte, die weiterleben. Ubuntu bringt immer wieder auch Konstellationen des Wettbewerbs, die an mancher Stelle anspornen und etwas noch besseres hervorbringen können. So sehe ich Snap persönlich war nicht vorteilhaft, dennoch begrüße ich das Engagement von Canonical an der Stelle, denn damit wird die Entwicklung bei Flatpak zwangsweise beflügelt. Die Wettbewerbssituation ist m.E. nach also gut. Gäbe es Snap nicht, hätten alle, die im Flatpak entwickeln möglicherweise weniger Antrieb Innovationen und Verbesserungen zu bringen. Ich sehe eine gesunde Konkurrenzsituation.

Ubuntu Desktop wird seit Version Ubuntu 22.04 wieder besser. Es steckt augenscheinlich wieder mehr Mühe im Desktop als zu Ubuntu 20.04, wobei das Ubuntu Design Team mit Yaru auch hier keine schlechte Arbeit ablieferten. Der Ubuntu Server ist kostenlos erhältlich. Wer Support benötigt, muss zahlen. Das ist in Ordnung. Ubuntu LTS bietet 5 Jahre Pflege und wer noch mehr Zeit benötigt, kann mit ESM nochmal 5 Jahre ranhängen. Eine Ubuntu LTS Version wird also 10 Jahre Sicherheitsaktualisierungen bekommen. Das ist nicht nur planbar, sondern auch ein Alleinstellungsmerkmal.

Und was wir nicht vergessen dürfen, die Ubuntu LTS Versionen sind sehr stabil. Einmal installiert, müssen lediglich Sicherheitsaktualisierungen eingespielt werden. Das eigentliche System bleibt damit unverändert und gilt somit als robust. Der Wartungsaufwand an einem Ubuntu LTS System ist ähnlich dem von Debian Stable und somit ausgesprochen gering. Wer also ein System haben mag, das einfach läuft, ist bei Ubuntu LTS gut aufgehoben.

Fazit

Wir können alle Vorteile auch als Nachteile und umgekehrt auslegen. Ubuntu ist aber auch die Basis vieler anderer Distros wie Linux Mint, Zorin OS, Pop!_OS, KDE Neon oder Elementary OS. Das kann man also auch auf die Habenseite von Ubuntu setzen.

Freilich ist Ubuntu nicht unabhängig und wer Ubuntu einsetzt, sollte mit den Canonical Entscheidungen grob leben können oder muss halt selbst Hand anlegen um z.B. Snap zu entfernen. Das ist mit wenig Aufwand geschehen, wie ich schon zeigte.

Für mich überwiegen die Vorteile von Ubuntu klar die Nachteile. Es gibt immer Licht und Schatten, egal welche Distro. Ubuntu dürfte noch immer die erfolgreichste Distro sein und mit dieser hohen Wahrnehmung ist man nun mal bei Freund und Feind bekannt. Wobei Freund und Feind hier nur sinnbildlich gemeint ist. Wer keine positive Einstellung zu Ubuntu hat, muss es ja auch nicht einsetzen, sondern kann eine der schier unendlichen anderen Distros einsetzen. Kein Problem und Fall erledigt. Wichtig ist dennoch, dass Ubuntu die Wahrnehmung von Linux im Allgemeinen nach wie vor trägt und verbreitet und das ist ein guter Punkt.

Leider fokussieren sich zu viele Menschen meist auf die negativen Aspekte im Leben. So auch bei Ubuntu und vielen anderen Dingen. Ich bin kein Ubuntu Fanboy und dieser Beitrag wurde auch nicht von Canonical unterstützt. Der Beitrag gibt vollumfänglich meine Meinung wieder. 

Wie seht Ihr das? Wenn Ihr dazu etwas zu sagen habt, dann könnt Ihr das gerne in der Kommentarfunktion entweder auf YouTube, Odysee oder meinem Blog kund tun. Ich bin gespannt wie ihr das seht, ob Ubuntu Fluch oder Segen ist.

Das war die heutige MFTP Ausgabe. Wenn Du über iTunes den Podcast hörst, freue ich mich über eine 5 Sterne Bewertung. Vielen Dank für die freundliche Aufmerksamkeit und bis zur nächsten Ausgabe. Ciao.

Der Podcast ist abrufbar auf allen gängigen Podcast Plattformen, u.a. auf:

Viel Spaß

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4 Antworten zu „Ubuntu – Fluch oder Segen? (MFTP35 – Linux Podcast)“

  1. Gottfried Figerl

    Wegen des Unity Desktops bin ich zu Linux Mint gewechselt und dort sehr zufrieden obwohl ich mir immer wieder auch andere Distros ansehe. LM ist die Beste!

  2. Jochen

    Ubuntu ist eine großartige Distro, auch wenn ich sie privat weder am Desktop, noch am Server benutze.
    Es ist nun mal in vielen Aspekten das bessere Debian: Es ist stabil, aber die Pakete sind trotzdem zumindest einigermaßen frisch. Das erklärt auch die Popularität. Auf Desktopebene sind sie der Vorreiter, dass selbst nicht-tekkies Linux installieren, sollten sie kein Windows oder macOS aus welchen Gründen auch immer nicht nutzen (kann man bei Dokus bspw. oft erkennen: Wenn da mal ein Linuxnutzer zu sehen ist am Notebook, ist es zu 99% Ubuntu…erkennt man an den schönen Hintergrundbild bspw :D)
    Ja, ich hatte mit Ubuntu auch oft mein Tief (snap, Amazon, viel Software, die ich einfach nicht brauche vorinstalliert), aber ich bin froh, dass es das Projekt gibt und mahne die Debian-Community, mal Altlasten abzulegen, ehe der eigene Fork einen komplett in die Belanglosigkeit verdrängt.

  3. Stephan

    Zitat: „ Für mich überwiegen die Vorteile von Ubuntu klar die Nachteile.“

    Also diesen Satz habe ich mehrmals gelesen und leider immer noch nicht verstanden??….

  4. MichlFranken

    Heißt, dass ich mehr Vor- als Nachteile sehe.

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