Im August 2022 veröffentlichte ich mein Langzeittest von Ubuntu 22.04 nach etwa vier Monaten Nutzungszeit. In dem Video erwähnte ich ja, dass ich erst mal bei Ubuntu 22.04 bleibe und mal sehen wohin die Reise geht. Die Reise ging bis heute, das kann ich schon sagen. Doch nach nun über 2 Jahren mit Ubuntu 22.04 möchte ich noch mal eine ausführliche Bewertung abgeben. Bereit? Dann gehts jetzt los.
Vor zwei Jahren entschied ich mich, nach Jahren mit Debian und elementary OS auf Ubuntu 22.04 LTS zu wechseln. Mit dem Versprechen von Stabilität, Sicherheit und einer benutzerfreundlichen Erfahrung, war ich gespannt, wie sich Ubuntu 22.04 in meinem Alltag bewähren würde. In diesem Bericht teile ich meine Langzeiterfahrungen, die Höhen und Tiefen, sowie die entscheidenden Punkte, die Ubuntu 22.04 LTS zu einer verlässlichen Wahl für viele Nutzer machen.
Meine Anpassungen an Ubuntu 22.04
Bei der Installation habe ich das ext4 Dateisystem durch BtrFS ersetzt. Wie das geht, hatte ich hier gezeigt. BtrFS ermöglicht es mir über das Zusatztool TimeShift rückrollbare Systemschnappschüsse anzufertigen und darf in meinem Hause auf keinem System fehlen.
Ich stehe dem closed Source Distributionsmodell der Snap Container-Technologie kritisch gegenüber. Aus dem Grund habe ich Snap komplett vom System entfernt, wie bereits hier gezeigt. Als Software Container-Technologie habe ich den Mitbewerber Flatpak eingerichtet und als Paketquelle Flathub eingerichtet. Darüber habe ich mehrere Apps installiert, darunter Nextcloud Client, Spotify, Ungoogled Chromium oder LibreWolf Browser. Über die hauseigene PPA Paketquelle beziehe ich Software wie z.B. KeepassXC.
Ferner habe ich über ein kostenloses Ubuntu Pro Abo das System weiter abgesichert, sodass ich Sicherheitsaktualisierungen auch für weitere Programme aus dem Universe-Repo bekomme. Ins System eingebunden ist ein Samba-Share, der via fstab Eintrag gemountet wird.
Diese Modifikationen lassen mein Ubuntu 22.04 System von einem Ubuntu 22.04 System von der Stange abweichen.
Stabilität und Leistung
Ubuntu 22.04 hat sich in den über 2 Jahren als äußerst stabil und zuverlässig bei mir erwiesen. Das System läuft auf einem HP Elitebook Notebook und alles läuft. Gerät zuklappen, es schläft. Aufklappen, System wacht wieder auf und ist sofort da. Das jeden Tag in der Woche bis mal ein Kernel-Update einen Neustart erfordert. Die Zugriffe auf den Samba-Share klappten nach dem Standby immer reibungslos. Die Lüftersteuerung ist absolut klaglos. Gerät ist leise und Lüfter nur unter längerer Volllast zu hören, dann aber deutlich.
Die Leistung war beeindruckend, selbst auf älterer Hardware lief Ubuntu flüssig und ohne Verzögerungen. Es gab keine Gedenksekunden, Hänger, nennenswerte Abstürze und dergleichen in der gesamten Zeit. Über den Ubuntu Hardware Enablement Stack ist derzeit GNU/Linux Kernel 6.5 im Einsatz.
Höhen und Tiefen
Ubuntu 22.04 brachte mir über langen Zeitraum einen ruhigen Betrieb und erinnerte mich gleichzeitig an meine lange Zeit mit Debian Stable. Der Wartungsaufwand ist vergleichbar im Alltag. Das System läuft und schnurrt zuverlässig, wie schon dargelegt. Keine Probleme. Durch Ubuntu Pro wird das Thema mit keine garantierten Patche in Universe und Multiverse etwas gemildert, da Ubuntu Pro Patche für Universe angeboten. Bleibt nur Multiverse im Status offen. Dennoch eine Verbesserung im Vergleich zu davor.
Der signifikante Tiefpunkt bei einer LTS Version von Ubuntu ist die durch den LTS Modus geschuldete Alterung der Pakete. Als im April 24 eine Sicherheitslücke in Flatpak gefunden wurde, aktualisierte Debian z.B. sehr zeitnah und patchte die Flatpak Version. Bei Ubuntu behalf ich mir durch Einbinden des Flatpak PPAs, über das eine neuere Version ohne Lücke eingespielt wurde. Ein standard Ubuntu 22.04 System erhält Stand Ende Juli 2024 Flatpak 1.12.7. Nach dem mir vorliegenden Stand benötigt es Flatpak 1.12.9 um diese Lücke zu schließen. Dies wird bei Ubuntu 22.04 aktuell nicht angeboten. Der CVE Eintrag lässt für Jammy (der Codename für Ubuntu 22.04) keine Lösung erkennen. Das ist einerseits für LTS Versionen nicht untypisch, dass neue Versionen nicht ausgerollt werden, jedoch hat Debian das mit einem Patch für Stable hinbekommen, andererseits wen wundert es, wenn Canonical Flatpak unter Ubuntu nicht großartig versorgt. Immerhin ist es die direkte Konkurrenz zum hauseigenen Snap Format. Insgesamt aber enttäuschend.
Über Vorzüge von Ubuntu Pro sprach ich eben schon. Etwas eigen ist, dass man Ubuntu Pro benötigt um mehr Sicherheitsaktualisierungen zu bekommen. Viele werden sich schwer tun zu verstehen warum man das braucht und wieso es die Patche nicht einfach standardmäßig bei LTS gibt. So will man Ubuntu Pro schmackhaft machen und so manch anderer Hersteller hat gezeigt, dass wenn man die Leute zu Abo-Modellen bewegt und sie daran gewohnt hat, die Akzeptanz dafür auch zu zahlen vermutlich höher ausfallen wird. Aber aktuell kann man Ubuntu Pro für bis zu 5 Systeme oder Instanzen kostenlos bekommen. Wer mehr benötigt, wird zur Kasse gebeten.
Dinge, die nicht extra erwähnt werden
Auch heute dürfte Ubuntu noch die Linux Distro sein, die die meisten Nutzer hat und somit über die größte Verbreitung verfügt. Die Ubuntu Community ist auf alle Fälle weiter groß. Es gibt unzählige Foren, Seiten, YT Videos, die sich auch heute noch mit Ubuntu beschäftigen. Von daher kann man auch in der zweiten Jahreshälfte 2024 mit der Ubuntu Community fest rechnen.
An mein System angeschlossene Hardware wie z.b. Logitech Webcam oder mein Netzwerkdrucker laufen ohne großes Zutun standardmäßig. Ich verfüge über keine Hardware, die nicht vom System problemlos erkannt und eingebunden wird. Hier alles top bei der Hardwareunterstützung.
Die App Verfügbarkeit ist weiterhin sehr hoch. Aber manche Apps sind nur noch via Snap zu haben. Unter Ubuntu 22.04 war der prominenteste Kandidat Firefox. Den gibts nicht mehr als Debian Paket. In diesem Beitrag zeige ich aber, wie man Firefox ESR als Debian Paket über ein PPA installieren kann. Mit neueren Ubuntu Versionen wird sich dieser Zustand verschärfen. Bei Ubuntu 24.04 ist z.B. auch Thunderbird als Snap statt Debian Paket im Angebot.
Gemischte Gefühle was die Zukunft anbelangt
Ich gebe es offen zu, dass ich gemischte Gefühle habe, was die Zukunft von Ubuntu anbelangt. Die Transformationen vom Debian-Paketformat zu Snap wird weiter anziehen. Ubuntu Core ist eine unveränderliche – auch immutable – Distro, die Snap only ist. Von Ubuntu 24.04 soll so ein Modell auch noch kommen, zumindest waren das mal die Pläne. Ich bin mir aber sicher, dass Ubuntu 26.04 die erste Version wird, die Snap Only kommt und als Nebenversion vielleicht noch eine mit Debian-paket bieten wird. Und wenn nicht mit Ubuntu 26.04, dann mit Ubuntu 28.04, machen wir uns da nichts vor. Canonical bereitet Snap nicht über Jahre vor um dann nicht Ernst zu machen wenn sie technisch bereit sind. Spätestens das ist der Zeitpunkt, an dem ich nach aktueller Sichtweise bei Ubuntu raus wäre. Doch bis es soweit ist, muss man mehr und mehr Aufwand betreiben um sein System mit Apps im Debian Paketformat zu versorgen. Da fragt man sich doch das eine oder andere mal, warum? Warum nicht einfach wieder Debian Stable nehmen oder was anderes wie openSUSE Leap oder Fedora oder sonstwas… Angebot gibts ja schließlich in Hülle und Fülle. Und ich muss gestehen, diese Gedanken überkommen mich in letzter Zeit öfter. Denn demnächst wird Canonical Ubuntu 24.04.1 veröffentlichen. Mit dem ersten Point-Release wird der Upgrade-Pfad für die vorherigen LTS Versionen offiziell geöffnet. Man muss nicht das Upgrade machen aber es rückt näher. Ein Punkt wo ich überlege, gehe ich mit auf Ubuntu 24.04 oder suche ich was neues?
Schon gewusst? Ubuntu 24.04 hinterließ in meinem Test einen sehr soliden Eindruck als LTS Version.
Mein offener Gedanke ist also nicht Ubuntu 24.04 schlecht zu machen. Mein offener Gedanke ist, unternehme ich weiter den Zusatzaufwand um das Canonical-Snap-Problem herumzudoktorn ober nehme ich eine andere Lösung, die das Problem nicht hat, wo ich keine Krücken um Snap herum bauen muss. Diese Frage muss ich für mich noch lösen. Falls Du Vorschläge hast, lass sie mich gerne in den Kommentaren wissen.
Fazit zu Ubuntu 22.04 nach 2 Jahren Nutzung
Eigentlich hat Ubuntu ein Canonical Problem. So könnte ich es mit aller Polemik ausrücken. Doch das wäre pauschalisiert und wenig hilfreich. Ich habe mich die letzten 2 Jahre in guter Gesellschaft mit Ubuntu 22.04 gefühlt. Das System lieferte ab als es darauf ankam Ergebnisse zu liefern. Diese wären: Beständigkeit, Stabilität und Zuverlässigkeit. Das können in der Form nicht viele. Ich würde behaupten, spontan fielen mir neben den Ubuntu Forks nur noch Debian Stable und openSUSE Leap ein, die da ansatzweise mithalten können von der Stabilität und Reputation her. Von der insgesamten Supportlaufzeit kann niemand Ubuntu das Wasser reichen. Denn 5 Jahre LTS Supportzeitraum kann mich mit kostenlosen Ubuntu Pro Abo um 7 Jahre erweitern, sodass Ubuntu 22.04 bis 2034 Sicherheitsaktualisierungen bekommen wird. Solange plane ich nicht mit dieser Version aber auf einer Serverfarm oder Desktops im Geschäft sind so lange Supportzeiträume extrem gut für die Planbarkeit und wertvoll.
Wer Ubuntu nutzt und mit Snap, wie ich, ein Problem hat, es gibt weiterhin eine Lösung dafür. Wer mit Snap kein Problem hat oder es auch mag, alles gut. Dann kann man bedenkenlos zu Ubuntu greifen. Auch wer jetzt neu in die Linuxwelt einsteigt, dem würde ich dennoch weiter zu Ubuntu raten. Dies Snap Thematik ist mehr vielmehr eine philosophische Frage, die mehr die antreibt, die entweder schon lange dabei sind oder Open Source und die daraus abgeleitete Transparenz mit Leidenschaft verfolgen. Dann kann man die closed Source Distributionsinfrastruktur von Snap krisch sehen.
Wer einfach eine effiziente Lösung will, braucht sich mit Snap oder Flatpak erst mal gar nicht rumärgern. Das kann man dann zum unbestimmten späteren Zeitpunkt ggf machen oder halt auch nicht. Ein sogenannter Showstopper ist Snap nicht.
Erst mal bleibe ich auf diesem System mit Ubuntu 22.04 LTS. Ich tendiere derzeit Ubuntu 24.04 LTS eine Chance zu geben und hoffe, dass die von mir durchgeführten Änderungen ohne Eingriff erhalten bleiben. Ich fürchte aber, dass Snap versucht wird wieder zu installieren und dann Apps wie Thunderbird umgewandelt werden und ich das dann wieder rückgängig machen muss. Darauf habe ich bei LTS ja eben keine Lust aber das kann passieren, da ich vom Standard bewusst abgewichen bin. Entschieden ist noch nichts. Ich muss seitens Ubuntu eigentlich erst 2034 zwingend eine Entscheidung treffen aber denke, dass die Hardware vorher aussteigen wird aber das ist ein anderes Thema. Generell lasse ich mir gerne recht viel Zeit mit Upgrades. Diese bringen viel Modernisierung und Änderung. Bei den ersten Nutzern, die das Upgrade machen, werden gerne noch unbekannte Fehler entdeckt. Diese möchte ich nicht noch zusätzlich mitnehmen. Daher habe ich Geduld und warten meist mehrere Monate. Eine Eigenschaft, die nicht alle aufbringen, ich weiß und kann es ein Stück weit auch verstehen. Aber ich bin fein damit.
Also wie gesagt, ich bleibe zunächst auf Ubuntu 22.04 LTS. Ob ich das Upgrade angehe oder dann doch mal wieder auf eine andere Distro wechsele, steht noch in den Sternen.
Was machst Du? Hast Du auch diese Änderungen wie ich an Deinem Ubuntu 22.04 System durchgeführt und bleibst Du zunächst beim Status Quo oder wie sieht Deine Strategie aus? Ich bin gespannt.
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