An Arch Linux streiten sich die Geister. Die einen finden es zu umständlich. Die anderen perfekt, weil es wie ein maßgeschneidertes System ist. Mein letzter Test von puren Arch Linux ist schon knapp 4 Jahre her. Höchste Zeit im Jahr 2024 mal wieder das originale Arch Linux unter die Lupe zu nehmen. Ich wünsche Euch viel Spaß.
Eckpunkte über die Distro
Arch Linux ist eine rollende Linux Distribution, deren deren Wurzeln bis ins Jahr 2002 zurückreichen. Arch ist somit auch schon über 20 Jahre am Markt. Irgendwie erstaunlich, dass es Arch schon so lange gibt und dass Arch viele Jahre eigentlich recht unbekannt war, zumindest mir. So wirklich wahrgenommen hatte ich Arch eigentlich erst die letzten paar Jahre, als es immer mehr Forks gab. Genaugenommen dürfte Antergos meine Aufmerksamkeit auch etwas auf Arch gelenkt haben. Doch zurück zu Arch.
Arch folgt dem KISS Prinzip. KISS ist ein Akronym für „Keep it simple, stupid“. Also auf Deusch: Ohne Extrawürste und ohne großen Schnickschnack. Durch seinen rollenden Unterbau wird Arch nicht von Zeit zu Zeit in bestimmten Versionen veröffentlicht, sondern fortan entwickelt und aktualisiert. So gibt es nicht gewisse Arch Versionen oder Ausgaben, sondern nur Arch.
Arch ist eine gemeinschaftsgetriebene Distro, hinter der demnach kein Unternehmen steht. Die Ziele sind nicht kommerziell. In der Vergangenheit wurde Arch als ziemlich elitär wahrgenommen, da man keinerlei grafischen Installer anbot. Der gesamte Installationsprozess musste Schritt für Schritt von Hand im Terminal durchgeführt werden. Doch das Arch Projekt hat sich seit meinem letzten Test im Jahr 2020 weiterentwickelt und bietet jetzt zumindest mit „Archinstall“ ein Installationsscript an, welches die Installation deutlich vereinfacht. Dennoch ist Arch damit noch keine einsteigerfreundliche Distro. Auch mit dem Script muss man wissen, was man tut.
Technisch
Als rollende Distribution unterstützt Arch lediglich 64-bit Hardware. Arch unterstützt als Paketformat LZMA-gepackte TAR Archive. Diese werden vom Paketverwalter Pacman verwaltet.
Zielgruppe
Als Desktop Distribution ist Arch Linux nicht als Distro für Neueinsteiger die beste Wahl. Die potenzielle Zielgruppe liegt bei erfahrenen Linuxnutzern und Entwicklern. Dies umfasst von Power-Usern, technikinteressierte Personen über Enthusiasten für freie Software bis hin zu Nutzern, die maximale Kontrolle über das System wünschen. Arch ist geeignet für all die Nutzer, die Wert auf höchstmögliche Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Kontrolle legen und sich dabei durch eine hohe Lernbereitschaft auszeichnen. Die Lernkurve ist bei Arch höher als bei anderen Distros.
Inbetriebnahme
Um bei Arch Linux einzusteigen, ist es notwendig mit einem Browser deren Seite zu öffnen. Dann oben rechts auf Download. Mit der Maus einfach etwas herunterscrollen, bis die Listen an Spiegelserver kommen. Hier wählt Ihr einen nahe Eurer Lokation aus und klickt einfach drauf. Im nachfolgenden Verzeichnis klicken wir auf das erste ISO File. Der Download geht recht schnell, da der Installer noch recht überschaubar groß ist.
Sobald der Download abgeschlossen ist, kannst Du das ISO verifizieren, indem Du die Checksumme bildest. Wie man das anstellt, hatte ich bereits hier beschrieben. Der schritt ist optional und nicht zwingend nötig. Dennoch empfehle ich es aber.
Hinsichtlich der Installation gibt es weiterhin den traditionellen „Arch Way“. Also nach Do it yourselfe Methode. Wenn Dich das interessiert, dann zieh Dir gerne mein Installationsvideo zu Arch Linux im Rahmen der Serie Wechsel zu Linux rein. Wie eingehend erwähnt, es gibt auch das Archinstall Script. Wie man damit installiert, dazu kommt in den nächsten Tage ein Folgevideo. Sei also gespannt. Sobald das Video online ist, werde ich den Link in der Beschreibung ergänzen.
Performance, Desktop & Apps
Kommen wir zur Systemvermessung. Mein System mit Gnome Shell belegte 5,3 GB der Platte. Der Bedarf an Arbeitsspeicher lag bei 1,6GB RAM. Standardmäßig sind 720 Pakete vorinstalliert. Flatpak Software Container sind nicht vorinstalliert.
Desktop Oberfläche und Konzept
Zum Zeitpunkt der Beitragserstellung lieferte Arch Gnome Shell 46.0 aus. Das war Ende April 2024.
Der Desktop kommt ohne jegliche Anpassungen. Es ist Vanilla Gnome. Arch ist wie Debian ein universelles Betriebssystem und will dem Nutzer hier nicht vorgreifen. Die einen mögen das, die anderen ehr weniger. Ansonsten profitiert Ihr von allen Neuerungen, die Gnome 46 zu bieten hat. Diese hatte ich in meinem Test von Fedora 40 etwas genauer beleuchtet. Schau es Dir gerne an. Fedora 40 Workstation liefert auch Gnome 46 als Vanilla Gnome aus. Hier sind Arch und Fedora aktuell auf Augenhöhe was das Angebot an Gnome anbelangt.
Softwareauswahl (Anzahl Apps, Software Stack)
- Kernel: 6.8
- Browser: Gnome Web
- E-Mail Client: –
- Büropaket: –
- Software-Container: Flatpak
Kernel 6.8 ist der derzeit aktuelle Mainline Kernel. Sobald 6.9 rauskommt, wird Arch ihn zeitnah bereitstellen. Wer also zum späteren Zeitpunkt hier reinschaut, könnte eine andere Situation bei sich vorfinden.
Bei den Performancewerten gab es schon zwei Messwerte, die andeuten, was jetzt kommt. Es sind nur wenige Pakete vorinstalliert. Ein vollwertiger Desktop dürfte das in der derzeitigen Lage nur für die wenigsten sein. Ich vermute, die wenigsten von Euch werden z.B. als Browser Gnome Web verwenden. Weiter unterstelle ich, dass viele hier auch gerne einen Mailclient und ein Office einsetzten. Bekommt man übrigens alles dazu. Flatpak Apps gibt es in Gnome Software. Aber die nativen Arch Pakete können wir nicht über Gnome Software standardmäßig installieren. Warum? Nun es ist kompliziert. Manche sagen, Pacman ist nicht für die Verwendung in GUI-Anwendungen geeignet. Diskussionen gibts in Arch Boards dazu einige. Aber es drängt sich einem nun so ein Verdacht auf, wieso z.B. EndeavourOS oder Manjaro mit Gnome auf Pamac setzen. Pamac können wir aber nur dann installieren, wenn wir das AUR verwenden. Das AUR ist das Arch User Repository. Eine Drittanbieterquelle, deren Verwendung von Arch nicht offiziell empfohlen wurde in der Vergangenheit. Heutzutage scheint man sich nicht mehr so direkt davon zu distanzieren. Man aktiviert es aber auch nicht per Standard. Beim AUR muss man etwas vorsichtig sein, da es ein Community Repo ist. Heißt es gibt keine große Qualitätssicherung und die Gefahr sich ein manipuliertes Paket einzufangen, ist hier potenziell am höchsten. Heißt nicht, dass da nur versuchte oder korrumpierte Software angeboten wird. Es kann sein, da es kein offizielles Repo ist, sondern ein Community-Repo. Ist wie im wilden Westen… da herrschen andere Regeln.
Für Pacman gibt es übrigens eine ganze reihe nützlicher Befehle. Hier mal eine Liste, die Dir im Alltag helfen dürfte.
Updating the system
sudo pacman -Syu
Searching for packages
pacman -Ss package_name
Installing packages
sudo pacman -S package_name
Installing package groups.
sudo pacman -S plasma
Removing packages
sudo pacman -R package_name
Refreshing mirrors
sudo pacman -Syyu
Alte Pakete löschen (Hausputz)
sudo pacman -Scc (oder -Sc)
Abschließende Gedanken
Arch ist sicher eine tolle Distro für die, die damit warm werden. Ich zähle definitiv nicht zu dieser Zielgruppe. Ich weiß nicht wieso aber mich macht Arch einfach nicht schwach. Vielleicht liegt es daran, dass ich den Rechner brauche um damit zu arbeiten und nicht um daran rumbasteln zu müssen, wenn Ihr mir die Polemik an der Stelle gestattet.
Arch Linux liefert übrigens keinen Standard Desktop. Es liefert nicht mal unbedingt einen Desktop. Man kann sich aussuchen, was man braucht oder mag.
Was mir auffiel ist, dass Pacman pfeilschnell ist. Dieser Paketmanager ist wirklich auf maximale Performance ausgelegt. Ich habe auch Tumbleweed Systeme im Einsatz. Und vergleiche ich jetzt mal Zypper gegen Pacman… alter Schwede. Da kann Zypper aber ordentlich Staub fressen. Was das anbelangt, ist Pacman absolut top.
Die Installation via Archinstall Script ist eine merkliche Erleichterung bei der Installation. Aber Hardcore Arch User werden es vermutlich auch künftig über den hergebrachten Arch Way installieren und auf Archinstall verzichten. Falls Du Dich dabei angesprochen fühlst, dann kannst Du das natürlich gerne so machen. Dann wird Archinstall für Dich vermutlich nicht so interessant sein. Ich finde es dennoch eine positive Entwicklung, da es ein guter Assistent in meinen Augen ist.
Wenn ich mal etwas im Arch Forum so herumlese, stoße ich oftmals auf eine elitäre Denk- und Schreibweise. Man könnte auch sagen, auf Anfängerfragen wird teilweise etwas von oben herunterschauend geantwortet so nach dem Motto „das weiß man doch“. Aber ehrlicherweise habe ich das auch schon in Debian Foren gelesen. Das ist also nicht typisch Arch, sondern Schlaumeier oder Leute, die nicht mit Fragen anderer Leute gut umgehen können, gibts überall. Aber ja, manchmal gibts auch nur faule Säcke, die zum gleichen Thema das hundertste Mal fragen, weil sie schlicht zu faul sind selbst zu suchen und die Lösung lieber auf dem Silbertablett serviert bekommen möchten, statt sie sich selbst zu erarbeiten.
Mein System habe ich übrigens mit BtrFS Dateisystem installiert. Die Subvolumes werden korrekt mit @ für Root und @home für /home eingerichtet. Wer Timeshift verwenden mag, dann es direkt starten und einrichten und es läuft.
Mein System von 2020 lebt übrigens nicht mehr. Das hat sich irgendwann mal 2022 zerlegt. Hatte es 4-5 Monate nicht gestartet und dann ein Update gemacht. Das war es dann… System geschrottet. Mal sehen wie lange dieses System durchhält.
Fazit
Obwohl Arch mich nicht anspricht, kann ich verstehen, wieso manche darauf schwören. Es ist die perfekte Distro für die, die Dinge kontrollieren möchten. Die die Dinge nach ihren Vorstellungen gestalten möchten. Für genau diese Zielgruppe ist es das perfekte Match.
Man muss halt auf grafische Extras verzichten. Bei Pacman im Terminal immer genau auf die Meldungen schauen und im Fehler- oder Problemfall im Arch Wiki oder Forum nach einer Lösung suchen. Das kann man machen, wenn man will. Wenn man die Geduld und die Zeit dafür aufbringen kann. Denn das ist in meinen Augen der Knackpunkt an der Sache. Ich kann diese Zeit nicht aufbringen. Ich muss mich darauf verlassen können, dass ein Aktualisierung mir nicht das System zerlegt. Diese Gefahr ist geringer je weniger das System rollt und je mehr es statisch LTS wird.
Stell Dir vor, Du bist beim Kunden und möchtest eine Lösung präsentieren. Das geht aber gerade nicht, weil ein Update den Bootloader zerschossen hat oder sonst was gerade nicht geht oder das System einfach streikt. Schachmatt. Das ist der GAU. Zugegeben, vor einem wichtigen Kundentermin macht man kein Update, ist klar. Aber die Kernbotschaft ist, dass durch den rollenden Unterbau auch viel Veränderung ins System kommt. Die Pakete sind nicht so feinabgestimmt und es kann immer mal wieder hier und da zur Problemen kommen, die dann früher oder später nach Deiner Zeit und Aufmerksamkeit rufen. Kannst Du diese aufbringen und hast Du Lust darauf mit Deinem System viel zu lernen, dann ist Arch vielleicht die passende Herausforderung für Dich. Kannst Du die Zeit und Geduld nicht aufbringen oder fehlt Dich an der einen oder andere Stelle substanziell das nötige Wissen in der Tiefe, dann ist Arch definitiv nicht die für Dich am besten geeignete Distro.
Was sind Deine Gedanken zu Arch? Die perfekte Distro oder nur was für die, die zu viel Tagesfreizeit haben? Ich sage es absichtlich so polarisierend, da ich auch mal herausfinden möchte, ob ich überhaupt großartig Arch User unter meinen Zuschauern habe. Du hast es sicher schon erraten, ich werde kein Arch User. Doch was ist mit Dir? Schreibe Deine Gedanken dazu bitte mal in die Kommentare rein. Ich bin schon jetzt gespannt.
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